Round-up: Die Zukunft des Essens 2 (25.01.)

7. Februar 2024


Nach dem großen Erfolg des Symposiums „Die Zukunft des Essens – ein japanisch-deutscher Dialog“ vom Januar 2023 griff das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) exakt ein Jahr später, am 25. Januar 2024, gemeinsam mit dem Kooperationspartner, der Japan Foundation, erneut dieses Thema bei seiner Partnerveranstaltung auf, dieses Mal mit dem Themenschwerpunkt „Ernährungsbildung und Kommunikation“.

Rund 200 Personen nahmen an dem japanisch und deutsch simultan verdolmetschten Symposium vor Ort am JDZB und online teil. Ganz bewusst hatten die Organisator*innen das Veranstaltungsdatum während der internationalen Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau in Berlin, der 88. „Grünen Woche“ gewählt. Zudem hatte just in der Vorwoche die Bundesregierung die deutsche Ernährungsstrategie „Gutes Essen für Deutschland“ beschlossen, so dass auch diese aktuelle Entwicklung in der deutschen Ernährungspolitik in den Diskussionen aufgegriffen werden konnte.

Zwei Keynote-Reden renommierter Forscherinnen setzten den Ton für die sich anschließende Podiumsdiskussion. Frau Prof. Dr. Miho KAMIOKA Miho, Vizepräsidentin der Tokyo University of Agriculture, erläuterte anschaulich die sich abzeichnenden Veränderungen der Ernährung bei verschiedenen Bevölkerungssegmenten in der japanischen Gesellschaft, und die sich daraus ergebenden Entwicklungen im Politikfeld Ernährung durch die Regierung von Japan, die durch das Grundlagengesetz zur Ernährungsbildung bereits 2005 einen wesentlichen Meilenstein erreicht hatten. Nationale Pläne zur Ernährungsbildung schließen sich mit verschiedenen Schwerpunkten in regelmäßiger Wiederauflage an. Das Konzept der Ernährungsbildung „Shokuiku“ in Japan zeichnet sich vor allem durch seinen ganzheitlichen Ansatz aus, der beispielsweise auch Verständnis für die Herkunft und den Anbau von Nahrungsmitteln oder auch die Wertschätzung der Nahrungsmittelaufnahme in Gemeinschaft vermitteln möchte. Frau Prof. em. Dr. Ines HEINDL (Europa-Universität Flensburg) betonte den Stellenwert der Ernährungsumgebungen für eine gesunde Ernährung, insbesondere, da Essen außer Haus in Deutschland stark zugenommen habe. Es gebe zwar eine ganze Reihe von einzelnen best practice Beispielen, wie man eine gute und ausgewobene Ernährung vermitteln könnte, aber entscheidend und noch ausstehend sei der Transfer dieser Erkenntnisse in eine strukturierte Bildungspolitik.

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion kamen neben den Keynote Rednerinnen zwei Speaker aus dem ministeriellen Umfeld – Herr DOWAKI Akito, Deputy Director am Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries sowie Frau Dr. Barbara KAISER, Gruppenleiterin am Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – und zwei Repräsentant:innen von Tafelorganisationen – Herr HIRANO Kakuji, CEO von Meals on Wheels Japan sowie Frau Christin BECKER von der Tafel-Akademie gGmbh – miteinander ins Gespräch. Die Moderation wurde von Frau Jana DREYER von der Dr. Rainer Wild-Stiftung übernommen. Dabei wurde in der Rückschau festgestellt, dass während früher vor allem professionelle Akteure in der Ernährungskommunikation sichtbar waren, heute vielmehr alle mitreden, inklusive von KI-Anwendungen. Die Fachleute hoben hervor, dass bei der Ernährungsbildung zielgruppenspezifische Maßnahmen für Menschen aller Generationen notwendig seien. Besonders eindrücklich wurde das Beispiel des „Ernährungsführerscheins“ erläutert, der Kindern die Grundpfeiler einer gesunden und ausgewogenen Ernährung insbesondere durch eigenes Ausprobieren nahebringt. Auch die Rolle von Lehrkräften und besonderen Ernährungslehrkräften bzw. der Mangel derselben wurde besprochen. Während der lebhaften Diskussion mit dem Publikum, das sich online und vor Ort im Konferenzsaal einbrachte, wurde auch nach Wirkmacht von Ehrenamt und lokalen Initiativen gefragt und die Verantwortung von Eltern angesprochen.

Unter den vielen diskutierten Themen blieben zwei Aspekte vor allem eindrücklich präsent: Die Erkenntnis, dass man Konsument:innen nicht einfach nur „etwas vorsetzen“ könne, sondern sichergestellt werden müsse, dass sie tatsächlich verstehen, was es mit gesundem Essen auf sich hat. Außerdem der Eindruck, dass in Japan die Ernährungsbildung schon seit etwa 20 Jahren deutlich und in einer ganzheitlichen Sichtweise vorangeschritten ist, während die deutsche Bundesregierung gerade erst die Ernährungsstrategie beschlossen hat und diese nun zu implementieren ist. In Deutschland sei jedoch der Fokus auf Nachhaltigkeit schon deutlicher ausgeprägt, dies könne in Japan noch stärker vorangetrieben werden.

Passend zum Thema hatte das JDZB die Firma „Die Schulköche“ für ein Mittagessen wie an einer Südberliner Schule beauftragt, um auf diese Weise den Gästen vor Ort einen kleinen Einblick in die Verpflegungssituation an deutschen Schulen zu geben.

Dass insbesondere die japanische Delegation an Sprecherinnen und Sprechern einige Gesprächs- und Besichtigungstermine in Berlin wahrnehmen konnte, war eine besondere Gelegenheit. Dieses Programm startete mit einem Gespräch mit den beiden Geschäftsführern von „Die Schulköche“, Herrn Manfred LIEMANN und Herrn Aljoscha von NAGORSKI, die sich nicht scheuten, auch Herausforderungen bei dem gesunden, nachhaltigen und wohlschmeckenden Schulcatering klar zu benennen.

Die Domäne Dahlem empfing in der Person des Direktors und Vorstands Steffen OTTE die japanischen Gäste sehr gastfreundlich und gab einen sehr genauen Einblick in die Rolle und Aufgaben der Domäne als Freilichtmuseum für Agrar- und Ernährungskultur mit ökologischem Schwerpunkt, um nicht nur Ernährungsbildung „Vom Acker bis zum Teller“ zu vermitteln, sondern auch um für die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Per Traktorfahrt konnte die japanische Delegation sich zudem einen Überblick über die gesamte Fläche der Domäne verschaffen.

Die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und die Berücksichtigung sozialer Ungleichheiten bei der Ernährung und Verpflegung mit Nahrungsmitteln waren Themen, die am Folgetag bei den Besuchen der Tafel Deutschland e.V. und der Tafel Berlin e.V. im Fokus standen. Die Geschäftsführerin von Tafel Deutschland e.V., Frau Sirkka JENDIS; stellte die Arbeitsfelder und Herausforderungen von Tafelorganisationen in Deutschland aus der Perspektive der bundesweiten Dachorganisation vor. Die Gründerin von Tafel Berlin e.V., Frau Sabine WERTH, die mit ihrer Gründung im Jahr 1993 zugleich den Grundstein für Tafelorganisationen in Deutschland überhaupt gelegt hatte, führte höchstselbst die Delegation durch das Logistikzentrum am Berliner Großmarkt.

Ein Besuch der bundesweit ersten japanischen Mensa „Shokudo“ des Studierendenwerks Berlin auf dem Campus der FU Berlin und einer Erläuterung des Konzepts und der Rezeption durch Mensaleiter Herrn Esko NIGGEMANN folgte ein Besuch bei dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Unterabteilungsleiterin Frau Dr. Doris HEBERLE und Frau Rebecka RIDDER nahmen sich die Zeit, um unter anderem ganz aktuell die Entstehung und Ziele der Ernährungsstrategie der Bundesregierung zu erläutern.

Der Besuch der 88. „Grünen Woche“ auf dem Berliner Messegelände, bei dem die japanische Delegation von Herrn Nils HELLPAP, Produkt Manager World Tour, herzlich willkommen geheißen wurde, war ein sehr anschaulicher und kurzweiliger Abschluss der Veranstaltungswoche.



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