Beginn 19 Uhr, Eintritt frei
Sprache: Deutsch
Mythen Japans – Überholte Relikte oder lebendige Tradition?
Japan sei „die einzige moderne Gesellschaft, der eine Balance zwischen der Treue zur Tradition und dem rasanten wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gelungen ist“, schrieb Claude Lévi-Strauss, einer der bedeutendsten Ethnologen des 20. Jahrhunderts.
Während sich im neuzeitlichen Europa der Staat zunehmend von den religiösen Autoritäten emanzipierte mit der Folge einer weitgehenden Trennung von Staat und Kirche, erlebte Japan gewissermaßen eine gegenteilige Entwicklung: Der Beginn seiner rasanten Modernisierung im Zuge der Meiji-Restauration verband sich mit der Rückkehr zu traditionellen Werten. So rückte bei der Neugründung des Kaiserreiches (1868) das Kojiki, eine Sammlung der alten japanischen Mythen, Genealogien und Legenden, in den Rang einer »Bibel des Shintô« auf.
Moderne und Traditionalismus standen also gleichermaßen an der Wiege des neuen Japan. Welche Auswirkungen hatte der Rückgriff auf Traditionen des Altertums auf die spezifisch japanische Gestaltung der Moderne? Und haben die alten Rituale in der heutigen japanischen Gesellschaft noch eine Funktion, die über folkloristisches Nationalkolorit hinausgeht?
Die Leibniz-Preisträgerin Prof. Dr. Irmela HIJIYA-KIRSCHNEREIT (Freie Universität Berlin) und der Tübinger Japanologe Prof. Dr. Klaus ANTONI, Herausgeber und Übersetzer des Kojiki im Verlag der Weltreligionen, diskutieren über diese und andere Fragen im Hinblick auf das Kojiki und das Buch Die andere Seite des Mondes von Claude LEVi-STRAUSS.
Begrüßung: SAKATO Masaru (Stellvertretender Generalsekretär des JDZB), Philipp HÖLZING (Suhrkamp Verlag)
Publikumsfragen im Anschluss können auch auf Japanisch gestellt werden.
Im Gespräch:Irmela HIJIYA-KIRSCHNEREIT ist seit 1991 Professorin für Japanologie (Literatur- und Kulturwissenschaft) sowie seit 2010 Direktorin der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für Literaturwissenschaftliche Studien an der Freien Universität Berlin. Zuvor unterhielt sie Professuren an der Staatlichen Hitotsubashi Universität Tôkyô sowie an der Universität Trier. Von 1996-2004 war Irmela HIJIYA-KIRSCHNEREIT Direktorin des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tôkyô. Als Auszeichnungen erhielt sie u.a. den Leibniz-Preis der DFG 1992. Sie ist Herausgeberin der Reihen Japanische Bibliothek (Insel Verlag, 34 Bände, 1993-2000) sowie Iaponia Insula: Studien zu Kultur und Gesellschaft Japans (Iudicium Verlag, bisher 25 Bände).
Klaus ANTONI, geb. 1953, ist Japanologe mit kulturwissenschaftlichem Schwerpunkt; nach Lehrstühlen an den Universitäten Hamburg und Trier hat er seit 1998 den Lehrstuhl an der Universität Tübingen inne. 1991 erhielt er den internationalen Forschungspreis der Tamaki-Foundation an der Universität Wien. Gastprofessuren führten ihn nach Ôsaka und an das Reischauer Institute of Japanese Studies (Harvard University). Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geistes- und Religionsgeschichte Japans, die Kulturtheorie (u. a. Stereotypen- und Märchenforschung) sowie das Verhältnis von Religion (Shintô) und Ideologie im frühen und modernen Japan. Im Juni 2012 erschien von ihm Kojiki – Aufzeichnung alter Begebenheiten im Verlag der Weltreligionen