Eröffnung am 14. Oktober 2010 um 19 Uhr mit einer Lesung der in Berlin lebenden japanischen Schriftstellerin TAWADA Yôko
Das buchkünstlerische Werk von Veronika Schäpers lässt sich lesen als stark geprägt von wechselnden Perspektiven. Seit nunmehr dreizehn Jahren lebt sie in Tôkyô und arbeitet dort an ihren ungemein durchdachten und differenzierten Büchern. Ein bis zwei Arbeiten pro Jahr entstehen, die Auflagen sind klein, wenn auch von Jahr zu Jahr dank faszinierter Nachfrage gestiegen. Sie arbeitet mit unterschiedlichsten Materialien, auf ausdifferenzierten Papieren in zurückhaltenden Tönen, manchmal umhüllt von schrillen fluoreszierenden Folien.
Der japanische Alltag nimmt einen immer größeren Raum in ihren Arbeiten ein. Und das auf eine ganz eigene Art: Kein Synkretismus – keine anbiedernde Andienung an japanische Kunst-Traditionen, und dennoch ist der Lebensort Tôkyô deutlich spürbar: in den Materialien, dem Blick, in Zitaten aus dem japanischen Alltag.
Gemeinsam ist allen Arbeiten der bis in Gestaltungsdetails gehende Textbezug. Dabei liegt in ihrer Arbeit ein starker Schwerpunkt auf Originaltexten, die in der Künstlerbuchform zum ersten Mal veröffentlicht sind wie jüngst mit Durs Grünbein: 26°57,3'N 142°16,8'E, so der spröde Titel des Künstlerbuches, das in der Materialwahl ebenso wie in der Bebilderung mit nautischen Kartenmaterialien und wissenschaftlichen Daten zu einem in der Tôkyôter Bucht gefundenen Riesenkalmar um das Faszinosum Tiefsee kreist.
In der Ausstellung wird auch ihr neuestes Künstlerbuch mit dem Titel „Okonomiyaki“ zu sehen sein. Der Text, oder besser: die Texte darin hat die auch hier auf deutsch und japanisch schreibende Autorin TAWADA Yôko verfasst. Grundlage des Gerichtes und der Geschichte ist eine Art japanischer Eierkuchen, dem je nach Region und nach Belieben verschiedene Zutaten wie kleingeschnittenes Gemüse, Meeresfrüchte oder Fleisch beigefügt werden. Nach dem Braten wird er mit verschiedenen Soßen und Beigaben gewürzt und verziert. Diese ritualisierten Muster und Schichtungen finden sich faktisch in der Übereinanderlagerung der hell und dunkel bedruckten Seiten bei Veronika Schäpers´ Buch wieder, sowie in den Soßen-Mustern, um die sie Freunde und Bekannte gebeten hat.
All diese stringenten Konzeptionen lassen sich nur durch technische Präzision überzeugend realisieren. Und auch da ist die Vielfalt erstaunlich. Das traditionelle Rollenbuch „Funky Sabbath“ ist mit Gummi auf Gummi gedruckt, Zinkklischeedrucke stehen neben leuchtstarken Inkjetdrucken auf feinstem Japanpapier, die Aufzählung der verwendeten Papiersorten im jeweiligen Impressum scheint japanische Papiergeschichte zu repräsentieren.
Geräuchertes Papier, das eine eigene Struktur aufweist, ergänzt das Betrachten des Buches „DO“ um eine geruchliche Dimension. Kunststoffe und auch Stoffe setzt Veronika Schäpers gezielt und nie verspielt ein und verwendet sie differenziert in ausgeklügelten Einbandvarianten.
(Text: Susanne Padberg)
Veronika Schäpers, 1969 in Gescher (Westfalen) geboren studierte an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle, nach dem Diplom folgte ein Stipendienaufenthalt im Centro del bel Libro Ascona (Schweiz); durch ein weiteres Stipendium kam sie zu Paper Nao nach Tôkyô (Japan) wo sie nun seit 1997 lebt und arbeitet.
Sie erhielt für ihre Bücher viele Auszeichnungen und Preise unter anderem den MCBA Prize 2009 des Minnesota Center for Book Arts, Minneapolis, den Innovationspreis bel libro 2009, Ascona, Schweiz und 2005 den Staatspreis des Landes Nordrhein Westfalen.
Ihre Arbeiten befinden sich in zahlreichen internationalen Sammlungen und Museen.